Nachdem wir uns im vorherigen Artikel in das Isisäon vertieft hatten, möchte ich dich jetzt in die Übergangszeit zum Osiriszeitalter mitnehmen. Ursprünglich wollte ich den Artikel mit „Vom Mythos zum Logos“ betiteln, doch gibt es an dieser Annahme, dass der Logos den Mythos ersetzt, so einige Kritik.
Zwar gewinnt der Mensch die rationale Perspektive hinzu, doch ist der Mythos nicht verloren gegangen. Vielmehr erscheinen diese beiden Seiten im Osiriszeitalter als Wissenschaft und Religion oder auch weltlicher, als Wissenschaft und Tradition. Doch ich greife vor.
Inhalte
Die Zeit der Veränderung
„Die Welt ist im Wandel“
Galadriel
Wir können heute recht genau sagen, wann der Übergang vom Isisäon zum Osirisäon stattgefunden hat. Es war in den Jahren 600 – 400 v. Chr. Zu dieser Zeit philosophierten in Milet die ersten Vorsokratiker. Siddhartha Gauthama Buddha wurde im Norden Indiens geboren und reformierte den Hinduismus. In China entstand der Taoismus.
Ob es zu dieser Zeit einen solchen Umbruch auch in Amerika gegeben hat, entzieht sich meiner Kenntnis. Falls du etwas darüber weißt, lass es mich gerne wissen.
So unterschiedlich es auch war, was diese Großen der Geschichte lehrten, so war ihnen doch gemein, dass sie sich in Erklärungen eines immanenten Weltgesetzes (Logos) versuchten, welches ohne Götter auskommen kann. Und genau das ist der zentrale Punkt an dieser Zeitenwende.
Die Götter und ihre Kulte und Mythen reichten nicht mehr als Welterklärung aus. Es brauchte eine andere Erklärung und das Mittel dafür war die Logik bzw. die Vernunft. Das Ziel dieser Suche war ein Erklärungssystem der ganzen Welt mit einem zentralen Weltgesetz. Und ebendies verstand man damals unter: „Logos“.
Logos und Logik
Wenn ich hier so lapidar den Begriff Logik gebrauche, mache dir bitte bewusst, dass es nicht nur eine Art von Logik gibt. Wir Europäer neigen dazu, unseren spezifischen, europäischen Sonderweg der zweiwertigen Logik zu verabsolutieren und die Welt an diesem zu messen.
Es ist nebenbei bemerkt eine spannende Übung, sich in diese Logiken so intensiv hineinzuversetzen, dass sich das eigene Denken anfängt zu verändern. Solche Denk-Übungen halten den alten Denk-Kasten in Schwung.
Doch kommen wir wieder etwas mehr in den gewohnten Bereich der europäischen Logik zurück und schauen uns im folgenden Videos einige Beispiele an, was vor gut zweitausend Jahren unter „Logos“ verstanden wurde.
Du wirst, wenn du dir diese Videos über Vorsokratiker angesehen hast, sicher bemerkt haben, dass die Philosophen dieser Zeit schon Fragen gestellt hatten, die auch für uns heute interessant sind.
Und dass „Alles fließt“ – pantha rhei -, alles in Bewegung, veränderlich sei, ist ein Gedanke, auf den man in dieser Allgemeinheit erst mal kommen muss. Immerhin gibt es jede Menge Steine …
Wie kam es zu diesem Äonenwandel?
Bisher hab ich dir nur beschrieben, dass es einen Wandel gegeben hat und was damals passierte. Bleibt die Gretchenfrage offen, wieso es zu diesem Wandel kam.
Diese Frage ist weder einfach noch abschließend zu beantworten, da, egal wie wir sie beantworten wollen, wir aus unserer heutigen Sicht unseren eigenen Standpunkt mit reflektieren müssen, von dem aus wir den Wandel zu verstehen versuchen. Ich bleibe bei dem Schema von drei Äonen und beschreibe aus diesen drei Perspektiven den Wandel:
Aus der Perspektive einer kausalen Weltentwicklung wäre die Entwicklung hin zum Logos einfach nur eine Konsequenz des Vorhergehenden. A weil B. Egal wie kompliziert es sich auch darstellen mag, es bleibt letztlich: „A weil B“ und musste folglich zwingend so passieren. Weitere Fragen erübrigen sich. Dies ist eine Perspektive des Osiriszeitalters.
Aus einer eher mythischen Perspektive eines wirkenden Weltgeistes führte eben dieser Weltgeist absichtsvoll diese Veränderung durch, da die Menschheit dafür reif war. Auch hier erübrigen sich weitere Fragen. Das ist eine Perspektive des Isiszeitalters.
Eine neuere Erklärung finden wir in der Theorie komplexer Systeme, hier speziell sozialer Systeme. Nach dieser Theorie reagieren Systeme auf eine steigende Umweltkomplexität mit Erhöhung der eigenen Komplexität, die zu einem Emergenzsprung führt.
Ein solcher Emergenzsprung ist nicht kausal. Das heißt, das Ergebnis ist nur insoweit vorhersagbar, als das System hinterher eine höhere Ordnung besitzt, sprich komplexer ist. Hier wird der Mensch zum Schöpfer seiner Selbst und der Gesellschaft, in der er lebt. Dies ist eine Perspektive des Horuszeitalters.
Spiel die Möglichkeiten für dich ruhig durch. Vielleicht findest du ja noch mehr. Und falls du dich darüber mit mir austauschen möchtest, dann schreib mir. 🙂
Zum Schluss noch ein kleiner Lesetipp
Das Buch „Die Kraft des Rituals“ (ISBN: 3-7205-2114-1), beschreibt das Zusammentreffen von Isis und Osiriszeitalter sehr gut.
Aber Achtung: Lass dich beim Lesen nicht von den Wertungen des Autors verführen. Im nächsten Teil werde ich auf das Osiriszeitalter eingehen, auf das, was wir damit gewonnen haben und auf die Probleme, die es mit seinen Mitteln nicht lösen konnte.
Isisäon | Osirisäon | Horusäon | |
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Der Mensch ist … | Teil des lebendigen Ganzen und wird dadurch bestimmt. | isoliert von der Natur und steht ihr gegenüber. | Mitschöpfer in dem lebendigen Gewebe der Welt. |
Zeit ist … | kreisförmig. | linear voranschreitend. | relativ. |
Der Mensch wird beherrscht von … | der Willkür der Götter und der natürlichen Ordnung (z.B. Tabusystheme). | Naturgesetzen und/oder dem göttlichen Willen. | seinem eigenen Willen zum Ganzen. |
Denken ist … | einwertig. | zweiwertig. | mehrwertig. |
Das eigene Handeln orientiert sich an … | Traditionen, Tabusysthemen, Helden und Geschichten. | Moral und Ethik. | dem eigenen Wille im Zusammenhang mit dem Willen des Ganzen. |
Spiritueller Erfolg: | Seinen Platz in der natürlichen Ordnung finden. | Überwindung des „Egos“, der Welt und Einswerden mit Gott. | Seinen eigenen Willen zu erschaffen und zu folgen. |
Andere Menschen | Zugehörig zum Stamm/eigene Gruppe oder nicht | Staatszugehörigkeit | Der Andere als anderes Ich. |
Wer gehört zur eigenen Gruppe | Zugehörigkeit durch Geburt oder persönliche Annahme | Zugehörigkeit als formaler Akt | Zweckorientierte Wahlfamilie |
Rationalität | prärational | rational | transrational |
Die Welt ist geordnet durch … | Den Willen der Götter (Der auch beeinflusst werden kann). | Naturgesetze. | komplexe Systeme. |
Entwicklung/Evolution | Es ist wie es ist und immer sein wird, wenn auch in Zyklen. | Kausale Abfolge | Emergenzsprünge |
Zeichenverwendung und Deutung | ikonisch | indexikalisch | symbolisch |
Kult des … | unendlich Äußeren | unendlich Inneren | Menschen als Mitschöpfer |
von Tom Bombadil
Was möglich ist, gemeinsam mit Menschen, die sich einen offenen Geist bewahren, überrascht mich immer wieder. Und so sehe ich kein Ende des Weges vor mir, nur einen Horizont.